Grosch ist Maler aus Leidenschaft der auf der Leinwand genussvoll sein Farbmahl anrichtet. Farbe bedeutet ihm Verlockung Herausforderung und Lust. Also Malen auch als Entspannung und Entkrampfung als Ventil, als affektiver eruptiver Akt innerer Befreiung. Er liefert sich den Farben geradezu aus arbeitet mit breiten Pinseln Spachteln Fingern und Händen, peitscht die Farben auf die Flächen, lässt sie züngeln, flammen und explodieren. Dabei lebt er sich zwischen den Polen Überschwang und Schwermut, Sinnlichkeit und Dramatik aus. Plötzlich stocken die kraftvollen Pinselhiebe und lösen sich unerwartet auf in Lineaturen und Farbklängen voller Zartsinn, und Poetisches kündigt sich an.
Manches verharrt im Skizzenhaften Fragmentarischen als Indiz eines Augenblicks dann wieder zelebriert er behutsam malerische Delikatessen mittels aufwendiger Lasuren. So entsteht ein intensives Wechselspiel zwischen expressiv aufgeladener Spannung und impressionistischer Leichtigkeit eine Welt voller furioser Dynamik Unmittelbarkeit und Frische.
Sein zeichnerisches Talent entdeckte einst der Greizer Künstler und Kunstlehrer Wilhelm Büttner, der den damals zehnjährigen in seinem Mal- und Zeichenzirkel für Erwachsene aufnahm und ihn sechs Jahre lang gezielt förderte, ihn das „Sehen“ lehrte und sein Interesse für Kunst entwickelte.
Prägende menschliche Kontakte in Greiz erlebte er im Alexander-von-Humboldt-Klub, dem späteren Kulturbund, den Manfred (Ibrahim) Böhme leitete. Dort lernte er Reiner Kunze in Lesungen kennen und auch die damals schon verbotene Jazz-Gruppe „media nox“. In diesem anregenden kulturellen und geistigen Klima fühlte sich Horst Gröschel beheimatet. Er spielte als Gitarrist in einer Greizer Band, und Böhme ermutigte und empfahl ihn zum Kunststudium.
Nach abgeschlossener Berufsausbildung als Baufacharbeiter mit Abitur begann er 22-jährig sein Studium an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Er war fasziniert vom Fluidum der Messemetropole er tauchte ein und nahm auf was Kunst und Kultur ihm boten:
Die Leipziger Hochschule vermittelte ihm eine intensive künstlerische und handwerkliche Ausbildung er war begeistert von Natur- und Aktstudium, Schrift- und Buchgestaltung. In Leipziger Cafés traf man ihn oft mit dem Skizzenblock wo er Porträts skizzierte. Und er bewunderte und verehrte besonders seine Lehrer Hartwig Ebersbach, Bernhard Heisig und Heinz Wagner als Vollblutmaler.
Seine besonderen Interessen galten auch Musik, Kabarett und Film. Er wurde Mitbegründer und Mitglied der Leipziger „Folkländer“ und der Skiffleband „Lose Skiffle Gemeinschaft – Leipzig Mitte“. Mit Wolfgang Krause-Zwieback und Johannes Heisig gründete er das Hochschulkabarett „Pigment II“. Er war Stammgast bei den Leipziger Jazz-Festivals, Dokfilmwochen und Filmfestivals, und er hatte eine Vorliebe für Fellini-Filme. Die Leipziger Jahre gerieten so zu einem pulsierenden, kreativen, nachhaltig prägenden Lebensabschnitt.
1980 kam Gröschel als diplomierter Maler und Grafiker in die Provinzstadt Gera. Im Betonbaugebiet Lusan richtete er zunächst sein Atelier im 5. Stock eines Plattenbaus ein. Und er erkannte: „Wer wenn nicht wir die Maler, die zu sehen verstehen, sollten sich einmischen und gegen die allgemeine Blindheit all das einbringen, was wir können. Der Maler ist das Auge der Gesellschaft.“
Er brachte sich von nun an in diesem Sinne voller Energie und Idealismus in Stadtgestaltung und Denkmalpflege ein und er hatte die große Hoffnung, auf diese Weise das ästhetische Empfinden der Menschen sensibilisieren zu helfen und ihre diesbezüglichen Ansprüche nachhaltig beeinflussen zu können.
Er wirkte als Farbgestalter für Kindereinrichtungen, entwarf Jugendklubs und Innenausstattungen für Cafés, schuf Decken- und Wandbilder und bemalte Hauswände. Schließlich übernahm er die Farbgestaltung von mehr als siebzig Häuserfassaden des durch Jugendstil geprägten Greizer Stadtkerns. Später brachte er seine Erfahrungen in der zentralen Arbeitsgruppe Umweltgestaltung, Architektur und Bildende Kunst im Zenralvorstand des VBK ein.
1984 tauschte er die Geraer Neubauwohnung gegen einen idyllisch gelegenen jedoch völlig sanierungsbedürftigen Bauernhof in der 32-Seelen-Gemeinde Hasla bei Triptis. Hier gründete er sein Entwurfs- und Planungsbüro ATELIER GROSCH, hier wagte er nach der Wende mutig neue Schritte als Unternehmer, beschäftigte er sich mit Architekturplanung, Computerdesign, Fotografie und Buchgestaltung, baute er sich schließlich ein ideales Maler-Atelier aus, und nun träumt er manchmal von Monets Garten…
Und dann entstehen auf seinen Leinwänden üppige Blütenteppiche, die rauschhaft ihre wilde verlockende Pracht entfalten. Blüten greifen sinnlich in den Raum, tanzen, flirren und bersten. Es flackern Zinnoberlichter, züngeln Krapplack-flammen. Propellerartige Amoryllis-Blüten heben sich aus dunklem Grün wie ein letztes Aufgebot an Lebensenergie, bevor sie sich zurücknehmen und welken – ein Kreislauf ewigen Werdens und Vergehens.
Und dann ein Selbstporträt, die Augen geschlossen, die Farben blass, umgeben von einem Urwald aus Blättern wie Schwerter. Ein Ich unendlich verletzbar. Zahlreiche Porträts gibt es inzwischen in seinem Werk. Voller Neugier und Zweifel hält er sich den Spiegel vor zu kritischer Befragung. Dabei offenbart sich besonders sein melancholischer Schöpferpart. Es sind Gesichter in feierlichem Rembrandt-Dunkel mit aufblitzenden Lichtern, eingezwängt in breite schwarze Rahmen. Schwermut lastet bereits auf den frühen Selbstporträts. Ende der 80er-Jahre malt er sich delikat altmeisterlich „Selbst als Harlekin“ mit aufgezwirbeltem Haar und in unzeitgemäßem Kostüm mit riesiger Halskrause, die wie ein Mühlrad auf ihm lastet und ihn einzwängt. Er verbirgt sein wahres Ich, und aus zusammengekniffenen Augenwinkeln beobachtet er kritisch die Welt – den Pinsel gezückt und malbereit, um die ihn bedrängende Wirklichkeit festzuhalten.
Zehn Jahre später dann sein Selbstbildnis „Der Schrei“: gefährlich spitz und wie ein Stilett den Pinsel gegen sich selbst gerichtet. Beschädigung oder Selbstbeschädigung? Elementares Verlangen nach Öffnung und Befreiung einer hochgradig erregten Seele schreien sich aus. Man denkt an den „Schrei“ von Edvard Munch oder an Francis Bacons schreiende Päpste. Während bei Munch die umgebende Natur wie ein gewaltiges Ohr den Schrei aufzunehmen scheint und bei Bacon die gewölbeartigen Verliese einen unheimlichen Resonanzraum bieten, scheint der Schrei bei Grosch wie ein Echo, das sich im Inneren bricht.
Mit scharfer Beobachtungsgabe und zeichnerisch virtuos erforscht Grosch menschliche Physiognomien, geht er Lebens- und Körperspuren nach und stenografiert er bewegte Solo-Stücke über menschliche Befindlichkeiten.
Er beobachtet und hinterfragt. Etwa in seinen psychologischen Porträts von Helmut: Einer, der die Höhen und Tiefen des vergangenen Systems durchlebt und durchlitten hat und gesunken ist bis an den Rand der Selbstaufgabe.
Grosch fixiert in eindringlichen ausdrucksstarken Zeichnungen die verschiedenen Phasen menschlicher Verstrickungen und Zerrüttungen: das Enttäuschte, Resignierende, Skeptische und Verweigernde.
Grosch ist aufnahmebereit für das künstlerische Erbe und leugnet seine Vorbilder nicht, er benennt sie ehrfurchtsvoll in Hommagen: Rembrandt, Goya, Corinth, Kokoschka, Monet, Ensor, Varlin, Soutine, Bacon und Lucian Freud.
Bei Goya ist es zweifellos dessen Problemlastigkeit, die ihn bewegt: die menschlichen Widersprüche, Kämpfe und Niederlagen, Gewalt und Leidenschaft, Unterdrückung und Vernichtung. Im krassen Gegensatz dazu ominöse Feste mit Maskeraden. Grosch zitiert Goyas Karnevalsszenen. Aus der drohenden Dunkelheit geben sich dämonische Mimen und groteske Tänzer gespenstischem Treiben hin. Mit nervösem Pinsel verteilt er Hell und Dunkel, spielt er Tiefe gegen Grelle aus. Die Figuren sind keine Individuen, sondern Träger von Licht und Schatten. Das schafft beklemmende Wirkung. Jubel, Mummenschanz und nackte Gewalt dicht beieinander. Damals eine gewagte Bildsymbolik für versteckte Gesellschaftskritik. Doch wie zeitlos solche Bilder sind!
Grosch ist ein hinterfragender Zeitgeist und ein engagierter Künstler. Er reibt sich vor allem an Gleichgültigkeit und Ignoranz. In seiner Kunst entlädt er aufgestaute Wahrnehmungen und geistige Unruhe. Und dann malt er voller Besessenheit bis zur Erschöpfung, quetscht Farben auf die Leinwand und wühlt sie mit Händen auf. „Manchmal möchte ich Farbkübel auf die Leinwand klatschen aus Wut darüber, dass so viele Menschen das Leid dieser Welt nicht sehen wollen!“ Unter solchem inneren Druck und solcher Augenblicksempfindung muss sein Bild „Kreatur“ entstanden sein: Ein aufgescheuchtes, flügelschlagendes Energiebündel flattert kopflos und hilflos auf uns zu, erstarrt letztlich zum Symbol für die völlige Unfähigkeit des Menschen, wesentliche Probleme der Welt lösen zu können.
Eines seiner letzten Bilder nennt Grosch „Meine Phantasie lernt fliegen“:
Ein beschwingtes Fabelwesen hebt ab und taucht ein in atmosphärisches Blau, dazwischen Farbtuben und -deckel. Wer weiß schon, wohin ein solches Wesen zu fliegen vermag…
Dr. Maren Kroneck